Hanser 2021, 256 S., ISBN 978-3-446-26940-8, übersetzt von Anke Caroline Burger, auch als E-Book erhältlich.

So ist das eben manchmal, wenn man in seiner Bücherblase unterwegs ist: Du triffst auf eine vielversprechende Autorin, deren Name für Dich gänzlich neu ist, während sie in den Feuilletons seit Jahren auf und ab besprochen wird. Nun gut. Ottessa Moshfegh wurde 1981 in Boston geboren und veröffentlichte ihren ersten Roman 2014. Ihre Romane und Erzählungen handeln von Frauen, die sich in psychischen Ausnahmesituationen befinden und deren innere Reisen in besonderen Lebenssituationen erzählt werden. Die Arbeit von Frau Moshfegh wurde mehrfach mit bedeutenden Literaturpreisen bedacht. ›Der Tod in ihren Händen‹ erschien im Original 2020 (Death in Her Hands) und ein Jahr später auf Deutsch beim Hanser Verlag, die Übersetzerin heißt Anke Caroline Burger. 

Oktopus/Kampa Verlag 2022, 255 S., grundlegende Überarbeitung der Übersetzung von Maria Wolff, ISBN: 978-3-311-30035-9, auch als E-Book erhältlich.

›The Daughter of Time‹ hieß die Originalausgabe von 1951, ›Richard der Verleumdete‹ die erste deutsche Übersetzung von Maria Wolff aus dem Jahre 1959, in der Neuausgabe des Kampa Verlags in seinem Oktopus Programm heißt der Titel jetzt ›Alibi für einen König‹. Josephine Tey hieß eigentlich Elizabeth Mackintosch. Sie wurde 1896 in Schottland geboren und starb 1952, ein Jahr nach Veröffentlichung des hier vorgestellten Romans, in London. Gordon Daviot war ein weiteres Pseudonym, das die Autorin dann nutzte, wenn sie Theaterstücke schrieb. Tey gehörte zur Generation der Agatha Christies oder Dorothy L. Sayers unterschied sich von diesen aber dadurch, dass sie mit den gängigen Stilmitteln brach. Und das macht sie eben interessant.

In ›Romane & Erzählungen 1916–1929‹ (S. 63 – 146), Kiepenheuer & Witsch 1989, ISBN: 3-462-01960-0, nicht mehr im Handel. Es gibt zahlreiche andere Ausgaben.

›Das Spinnennetz‹ erschien 1923 als Fortsetzung in der Wiener Arbeiter-Zeitung und war danach über Jahrzehnte vergessen. Erst 1967 erschien der Roman in Buchform. Dieses grad etwas über 80 Seiten starke Werk steht mit ›Hotel Savoy‹ (1924), ›Die Flucht ohne Ende‹ (1927) und ›Rechts und Links‹ (1929) für die erste Schaffenszeit der Rothschen Zeitromane. Dass Joseph Roth eher als Journalist denn als Romancier wahrgenommen wurde, bleibt bei der Lektüre von ›Das Spinnennetz‹ zu bedenken. Von der Meisterschaft eines ›Radetzkymarsch‹ ist der Autor hier zugegeben noch ein gutes Stück entfernt, aber dieser wilde Erstling hat durchaus seinen Reiz.

Suhrkamp 2006, 216 S. Mit einem Nachwort von Dietmar Dath, ISBN: 3-518-22410-7. 

Dieser Roman von 1957 ist der letzte aus Arno Schmidts Frühwerk, in der Chronologie der Romane zwischen ›Das steinerne Herz› von 1956 und ›Kaff auch Mare Crisium‹ von 1960 platziert. Wir schreiben in ›Die Gelehrtenrepublik‹ das Jahr 2008, Europa ist durch einen Atomkrieg verwüstet, Deutschland ist nicht mehr existent. Der Reporter und Erzähler Charles Henry Winer besucht mit Genehmigung der Großmächte zwei außerordentlich interessante Orte: Den »Hominidenstreifen«, einen Landstrich in der westlichen USA, der von durch Strahlenfolgen willkürlich entstandenen Mutationen bevölkert wird, und danach die Gelehrtenrepublik, eine in den Roßbreiten des Atlantiks schwimmende künstliche Insel. Hier wohnen ausgewählte Künstler und Wissenschaftler aus beiden Blöcken (Ost und West). Offiziell wird die Insel »International Republic for Artists and Scientists«, kurz »IRAS«, genannt. Wir folgen in diesem 200-seitigen Roman dem Bericht des Ich-Erzählers. Doch Arno Schmidt wäre nicht Arno Schmidt, wenn es hierbei nicht einige Kniffe gäbe.

Suhrkamp 2022, 80  Seiten, ISBN 978-3-518-22539-4. Übersetzt von Sonja Finck. 

So kann es gehen: Du gehst in einen Buchladen, willst ein Buch in Augenschein nehmen, das dir dann aber nicht gefällt, doch so ganz ohne Fang willst auch nicht wieder raus. Ich hatte mich schon für eine illustrierte Undine Ausgabe entschieden, als ich die Buchhändlerin fragte: »Sag mal den Literaturnobelpreis boykottiert ihr, oder?« – »Neiiiiin!«, es sei eben nur alles weg, für die lokalen Buchhandlungen nix mehr zu kriegen. Aber zwei Bänden der aktuellen Veröffentlichung wären noch da, bei der Kasse. Und so nehme ich ein Bändchen mit nach Hause und lese mein erstes Ernaux-Buch. Sogar gleich zweimal hintereinander, am Abend und am Morgen danach, denn allzu umfangreich ist ›Das andere Mädchen‹ nicht. Ich hatte schon so oft von der Ernaux gehört, aber noch nie etwas gelesen. Nun denn …. jetzt aber los.

dtv 2012, 304 Seiten, ISBN: 978-3423346719

Die Dichterin Mascha Kaléko: »Witzig-melancholische Lyrik« heißt es lapidar in meinem dtv-Lexikon von 1995, in der 21-bändigen Kindler Literaturlexikon von 1996 gibt es keinen einzigen Eintrag, in der aktuellen digitalen Ausgabe hat man ihr einen Artikel gewidmet. Sie hat Erfolg bei ihren Lesern, während die Germanisten noch darüber streiten, ob sie in den Kanon gehört oder nicht. Mascha Kaléko selbst sieht sich in der Tradition von Heinrich Heine dichtend, oft wird sie mit Tucholsky, Ringelnatz oder Kästner verglichen und die ›Neue Sachlichkeit‹ wird mit ihr in Verbindung gebracht. Fangen wir also mit den wichtigsten Lebensdaten an: Geboren wird die Dichterin 1907 als Golda Malka Aufen in Chrzanów (West-Galizien), gestorben ist sie 1975 in Zürich. Jutta Rosenkranz hat das unstete Leben der Lyrikerin 2007 und in einer aktualisierten und erweiterten Auflage 2012 nachgezeichnet.

Manesse 2014, 665 S., ISBN: 978-3-7175-2218-8, mit einem Nachwort von Eva Demski. Es gibt auch viele andere, preisgünstigere Ausgaben.

›Radetzkymarsch‹, der große Roman über den schleichenden Untergang der Habsburger Monarchie, den Zerfall von k. u. k. Österreich-Ungarn. In Kaffees und Hotelzimmern hat sich Joseph Roth dieses Werk abgerungen, das erst in der Frankfurter Zeitung als Fortsetzungsroman und 1932 als Buch erschien. Österreich, Galizien, Exil, Judentum, Alkohol, Sehnsucht, Traurigkeit: Das sind ein paar Schlagworte, die einem im Zusammenhang mit Joseph Roth einfallen (wenn denn heutigen Lesern zum Namen etwas einfällt). Der zuletzt schwer alkoholkranke Autor verstarb 1939 im Exil in Paris und wurde nicht einmal 44 Jahre alt. Er hinterließ uns bemerkenswerte Romane und Erzählungen und war zeitlebens auch journalistisch tätig. ›Radetzkymarsch‹ gehört gewiss zu seinen besten Werken.

Text (1104 S.) und Kommentar (528 S.), S. Fischer 2002, ISBN: 978-3-10-048324-9 

Den Zauberberg. Nun habe ich ihn also gelesen, durchgelesen, endlich. Im wievielten Anlauf, weiß ich nicht mehr. Woran bin ich bloß so oft gescheitert? Gewiss an meiner Unerfahrenheit und falschen Erwartungen, an den anstrengenden Dialogen zwischen Settembrini und Naphta, an dem Erzähler, der in mir in Thomas Manns Romanen immer wieder ein gewisses Unbehagen auslöst. Nun also hat es geklappt und es war ein großes Vergnügen. Zwar bleibt, was die Romane Manns angeht, ›Der Erwählte‹ mein Favorit und jemanden, der Thomas Mann zum ersten Mal zu lesen beschließt, würde ich die frühen Erzählungen empfehlen, aber ›Der Zauberberg‹ ist schon die Lebenszeit wert, die man für die Lektüre veranschlagen muss. 

Hanser 2004, 872 Seiten, übersetzt von Elisabeth Edl, ISBN 9783446204850. Als TB ist diese Ausgabe 2006 bei dtv erschienen.

Stendhal hieß mit bürgerlichem Namen Marie Henri Beyle, wurde 1783 in Grenoble geboren und starb 1842 in Paris. Von 1800 bis 1814 stand er in Napoleons Diensten, danach lebte er in Mailand – er blieb zeitlebens ein großer Bewunderer Italiens – wurde 1821 von dort ausgewiesen, lebte in Paris und wurde 1831 zum Konsul in Civitavecchia ernannt. Bis zum Ende seines Lebens pendelte er zwischen Civitavecchia und dem naheliegenden Rom. Stendhal verfasste Essays, Reiseberichte, schrieb Tagebücher. Seine Romane erlangten erst spät den ihnen angemessen Platz im Kanon der französischen Literatur. Heute gehören ›Die Kartause von Parma‹ (1839) und ›Rot und Schwarz‹ (1830) unbestritten zum Kanon der Weltliteratur (wie man so sagt). ›Rot und Schwarz‹ habe ich nun mit einiger Begeisterung gelesen.

Septime Verlag 2016, 504 S., ISBN: 978-3902711465, aus dem amerikanischen Englisch von Bella Wohl. Auch als E-Book erhältlich.

Was ein Leben. Geboren wurde Alice B. Sheldon 1915 in eine wohlhabende Familie aus Chicago, unternahm früh Reisen nach Afrika und Asien, arbeitete als Kunstkritikerin, war für den Geheimdienst tätig, bewirtschaftete eine Hühnerfarm und noch so manches mehr. Sie nahm sich 1987 das Leben, nachdem sie ihren schwer erkrankten und pflegebedürftigen Mann getötet hatte. Um mehr zu erfahren, lese man in Wikipedia oder in Julie Phillips opulenter Biographie nach. Mit 52 Jahren begann Alice B. Sheldon Kurzgeschichten zu schreiben und wählte in einem männlich dominierten Literaturbetrieb das Pseudonym James Tiptree Jr.. Heute können wir erfreulicherweise im Septime Verlag aus sieben Bänden Kurzgeschichten wählen: Großartige Science-Fiction, die der Qualität eines Philip K. Dick in nichts nachsteht. Ihr Stil ist stets pointiert, einfallsreich, lakonisch, Geschlechterrollen und -klischees werden in Frage gestellt, kurz: Die SF der Alice B. Sheldon zeigte und zeigt, was in diesem Genre möglich ist. Spät versuchte sie sich an zwei Romanen. Der erste Roman, ›Up the walls of the world‹ auf Deutsch ›Die Mauern der Welt hoch‹, erschien 1978. Ich habe ihn gelesen.