Erich Kästner: Der Gang vor die Hunde

Atrium Verlag, Oktober 2013, ISBN: 3-85535-391-3, 320 Seiten, auch als eBook erhältlich.

Erich Kästner: Fabian. Die Geschichte eines Moralisten. Der Roman erschien nach einigen vom Verlag verlangten Kürzungen und Änderungen 1931, wurde ein Erfolg und schon zwei Jahre später von den Nazis als entartet gebrandmarkt, schließlich verboten und verbrannt. Seit fast einem Jahr gibt es den Fabian nun ungekürzt, in seiner ursprünglichen Fassung und unter dem eigentlich vorgesehenen Titel Der Gang vor die Hunde auf dem Markt. Zu verdanken ist diese Rekonstruktion einer »imaginären Erstausgabe« dem Münchner Germanisten und Kästner-Biografen Sven Hanuschek. Kein neuer Fabian, vielmehr ist Der Gang vor die Hunde rauer, deftiger und erotischer. Eben nichts für Konfirmanden wie Kästner selbst sagte.

Dr. phil. Jakob Fabian stammt aus Dresden und verdingt sich im chaotischen Berlin der späten zwanziger Jahre als Propagandist und Werbetexter. Wir begleiten Fabian durch Bordelle, schmuddlige Kneipen, Künstlerateliers und erleben mit dem Protagonisten Auseinandersetzungen zwischen Kommunisten und Nationalsozialisten. Der Leser atmet sozusagen die Luft des Berlins am Ende der Weimarer Republik, das seinen Tanz auf dem Vulkan immer wilder vollführt. Kästner selbst äußerte, daß dieser Roman eine Satire sei. Es wird also zugespitzt und übertrieben, auch wenn dies dem heutigen Leser nicht immer augenscheinlich wird. Die Handlung soll hier nur in Bruchstücken wider gegeben werden: Fabian wird arbeitslos, trennt sich von seiner illusionslosen und nüchtern planenden Freundin Cornelia Battenberg. Er muß den Suizid seines Freundes Labude verkraften und ist auf der Suche nach neuer Arbeit. Nicht aber um jeden Preis, denn Fabian ist ein Moralist. Die Leser spüren, daß das kaum gut gehen kann.

Es gibt drastische Kapitel in diesem Buch, zum Beispiel jenes, in dem Fabian und ein Kollege die Blinddarmnarbe des Chefs begutachten. Aber auch zu Herzen gehende wie der überraschende Besuch seiner Mutter, als Fabian eben seine Anstellung verloren hat. Es wird viel philosophiert, ironisiert und gelebt in diesem Hauptwerk Kästners. Nein, ein Kinderbuch ist dies gewiß nicht, eher eine Art Schatztruhe, ein Werk, das manchen Leser, mancher Leserin ein Lebensbuch werden könnte. Mir selbst hat Der Gang vor die Hunde außerordentlich viel Vergnügen bereitet. Und es hat mich gerührt.

Zum Schluß sei noch erwähnt, daß der Band selbstverständlich auch die bekannten Nachworte (Fabian und die Kunstrichter, Fabian und die Sittenrichter) und Vorbemerkungen Kästners enthält. Außerdem bietet der ausführliche Anhang nicht nur ein Nachwort Hanuscheks, sondern es werden auch alle Varianten und Streichungen aufgeführt. Vorbildlich.

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