Hans Schweikart: Es wird schon nicht so schlimm!

Herausgegeben von Carsten Ramm. Mit einem Nachwort von Rolf Aurich und Wolfgang Jacobsen.
Verbrecher Verlag 2014, ISBN: 9783957320636, 120 S., auch als eBook erhältlich.

Im November 1941 waren es nur wenige Trauerende, die dem Begräbnis der Schauspieler Joachim und Meta Gottschalk und ihrem achtjährigen Sohn Michael beiwohnten. Von den ehemaligen Kollegen und Kolleginnen waren es unter anderem Brigitte Horney, Gustav Knuth und Elisabeth Lennartz, Hans Brausewetter, Werner Hinz, Wolfgang Liebeneiner und Ruth Hellberg. Wenige Tage zuvor hatte die Familie die Nachricht erreicht, daß die Ehefrau Meta Gottschalk, geborene Wolff, zusammen mit ihrem Sohn deportiert werden sollte. Der von den Behörden geforderten Trennung von der jüdischen Ehefrau hatte sich Joachim Gottschalk, ein damals sehr bekannter Schauspieler der UFA, stets widersetzt. Die Familie sah keinen anderen Ausweg als den gemeinschaftlichen Suizid.

1947 feierte der DEFA-Film mit „Ehe im Schatten” den größten Erfolg der frühen Nachkriegsjahre. Der Film nahm das Schicksal der Familie Gottschalk als erzählerische Grundlage. Regisseur Kurt Maetzig hatte durchaus persönliche Motive für diesen Stoff: 1944 wurde seine jüdische Mutter in den Selbstmord getrieben. Kritische Stimmen gab es zu diesem Werk allerdings auch: Bertolt Brecht nannte ihn „Kitsch” und Jahre später sollte sich auch Maelzig selbst von dem Zuviel an Gefühl seiner Hauptdarsteller distanzieren. Der Erfolg aber blieb.

Soweit und noch detailreicher kann man über Wirklichkeit und filmische Umsetzung dieses schlimmen Schicksals in Wikipedia und anderen Quellen nachlesen. Seit 2014 ist dank des Verbrecher Verlags auch der literarische Ursprung für den Film „Ehen im Schatten” der Öffentlichkeit zugänglich: Es ist „Es wird schon nicht so schlimm!” von Hans Schweikart (1895-1975), einem bekannten Regisseur und Freund der Familie Gottschalk. Schweikart nannte diese Novelle eine Art Vorschlag für ein Drehbuch. Im Grunde genommen teilt sich dieses schmale Buch in zwei Teile: Dem Text von „Es wird schon nicht so schlimm!” und dem kenntnisreichen und unbedingt lesenswerten Nachwort von Rolf Aurich und Wolfgang Jacobsen „Alle Giftmittel standen hoch im Kurs”. Beide Teile gehören zusammen: Der Text, frei von zuviel Sentimentalität, jagt unaufhaltsam auf das so bittere Ende zu. Die Novelle wirkt wie eine Abfolge von Filmszenen und bleibt doch ganz literarisch. Gerade die Knappheit des Textes ist es, die dem Leser, der Leserin genügend Raum für Empathie läßt. Für Momente wird klar, welches Ungeheuerliche hier geschieht. Das ist viel und dem Gelegenheitsschriftsteller Schweikart ist hier etwas besonderes gelungen. Das Nachwort erfordert hingegen eine andere Lesart: Es ist manchmal nicht ganz leicht, den ineinander verwobenen Zusammenhängen um das Schicksal der Familie Gottschalk, deren Lebenswelt innerhalb und außerhalb des UFA-Betriebs, den Hintergründen zum Film „Ehen im Schatten”, zu Hans Schweikart Motiven für die Novelle und vielem mehr zu folgen, aber es ist eine lohnende Mühe, nicht nur für Filminteressierte. Das Nachwort verzichtet auf Schwarzweißmalerei und macht die zeitlichen Hintergründe und die Motive der handelnden Personen ein wenig transparenter. Man lernt viel.

Ich habe mich ein Leben lang immer wieder mit der Nazi-Vergangenheit beschäftigt. Es ist ein Thema, das für mich nie abgehandelt sein wird, ob ich will oder nicht. Selten hat mich ein Text zu diesem Thema so unmittelbar berührt, das Monströse von Diktatur und Naziherrschaft so direkt spüren lassen. Dem Verbrecher Verlag sei Dank, daß wir ihn lesen können.

2 Kommentare on "Hans Schweikart: Es wird schon nicht so schlimm!"


  1. Nazism is a terrible story. My uncle Dave Hawkins, helped liberate a concentration camp and I have copies of the pictures he took.

    So so terrible. Beyond words.

    Have you read „Sarah’s Key“? There are many such stories but I found this one very moving.

    Currently reading „All the Light We Cannot See“.

    Rita

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    1. Thank you Rita.

      I know „All the light we cannot see”, but not „Sarah’s key”.

      Beyond words, yes, that is the right expression. But still we have to read, to write … to recall all these people.

      Best wishes,
      lena

      Antworten

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