Craig Thompson: Habibi

HABIBI
Reprodukt, 672 Seiten, ISBN 978-3-941099-50-0

In dieser 2011 erschienenen Graphic Novel des Amerikaners Craig Thompson (sein „Blankets“ erhielt 2005 auf der Frankfurter Buchmesse den Preis als bestes Comic des Jahres) wird eine Geschichte wie aus Tausendundeiner Nacht erzählt, eine moderne Odyssee, eine islamische (und zugleich biblische) Mythologie in Bildern … eine Huldigung der Kalligraphie, des gesprochenen und geschriebenen Wortes und ein leidenschaftliches Plädoyer für die Liebe. Die 660 Seiten von Habibi (zu übersetzten mit „mein Geliebter“) bieten das alles und noch vieles mehr … ein ganz und gar wunderbar-wunderliches Buch.

Der Schauplatz ist Arabien und die Heldin heißt Dodola. Als junges Mädchen wird sie an einen Kalligrafen verkauft, der später von Räubern ermordet wird. Die folgenden neun Jahre muß sie bei dieser Bande verbringen. Sie trifft dort auf das Kleinkind Zam. Dieses soll ermordet werden, doch Dodola rettet sein Leben, in dem sie sich als seine Mutter ausgibt. Beide fliehen in die Wüste und hausen fortan in einem verlassen Boot (ihre Arche Noah) mitten in der Einöde. Sie prostituiert sich bei den Männern der vorbeiziehenden Karawanen, um für ihr gemeinsames Essen sorgen zu können. Zam ist für die Beschaffung des Wassers zuständig. Und wie Scheherazade erzählt Dodola Zam immer neue Geschichten. So hebt dieser gezeichnete Roman an und mehr soll an dieser Stelle nicht verraten werden…

Diese Erzählung, man sieht es schon an der gerafften Zusammenfassung des Anfangs, ist eine wilde Mischung aus Märchen, Moderne, aus überbordender Erzähllust und Gesellschaftskritik. Alles fließt ineinander und verwebt sich miteinander: die fantastischen Zeichnungen (Thompson ist wahrlich ein Meister seines Fachs), die Chronologie der Ereignisse, die vielen religiösen Anspielungen … Szenen großer Brutalität, nie voyeuristisch oder plakativ in Szene gesetzt, wechseln mit feinem Witz. Dieses großartige Buch ist einfach nicht auf einen Nenner zu bringen.

Ach ja, der kleine Abstrich: bei aller Erzähllust kommt die Psychologie der beiden Helden vielleicht ein wenig zu kurz. In der Mitte des Buches hat mich das ein bißchen gestört, doch dann habe ich einfach weiter gestaunt… Auch strengt es bisweilen an, wenn Thompson seine mythologischen Gebäude und Theorien sehr detailliert ausbreitet. Aber das kann mein Urteil, daß dies ein ganz großes Buch der Graphic Novel Gattung ist, nicht revidieren. Noch lange nach der Lektüre bleiben all diese Bilder im Kopf, und mit ihnen die Geschichte von Dodola und Zam.

3 Kommentare on "Craig Thompson: Habibi"


    1. Oh, das ist aber lieb! Man bastelt ja doch n Nachmittag an son Text, um so schöner, wenns der besten Pfreundin gefällt. Ich werd Dir den Habibi mal leihen müssen …

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  1. Das ist ja wohl wirklich recht interessant. – In die Schlange der interessierten Mitleser reihe ich mich gerne ein. Auch ich finde die Buchbesprechung sprachlich prima gelungen.

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