Lit aus dem Englischen

DRACULA (übersetzt von Andreas Nohl)
Steidl Verlag, 540 Seiten, ISBN 978-3869304625

„Nein“, sagte sie und hob abwehrend die Hand, „in diesem Augenblick hält der Tod mich fester umklammert als würde die Erde eines Grabes auf mir lasten!“. So heißt es gegen Ende des Vampirroman-Klassikers von Bram Stoker. Man merkt, daß hier reichlich Pathos und Kitsch geboten wird. Auch in den Handlungssträngen und was das Erzähltempo angeht holpert und stottert es ab und an bedenklich. Dies ist vor allem der Erzähltechnik des Briefromans geschuldet. Formal besteht Dracula aus Briefen und Tagebucheinträgen der Protagonisten, auch ein Phonograph kommt zum Einsatz. Diese Wahl der Form sollte der Handlung Authentizität vermitteln. Eine Rechnung, die heute natürlich nicht mehr aufgeht. Nein, ein Artist der Sprache war Bram Stoker nicht, einer der berühmtesten Autoren der Literaturgeschichte schon.

VATERLAND
Heyne Verlag, 384 Seiten, ISBN 978-3-453-07205-3

Dem letzten Kapitel seines 1992 erschienen Romans Vaterland (engl.: Fatherland) stellt Robert Harris ein Zitat aus Primo Levis „Die Atempause“ voran. Levi läßt einen SS-Offizier Folgendes sagen: „Wie immer dieser Krieg auch enden mag, wir haben den Krieg gegen euch gewonnen; von euch wird niemand übrigbleiben, um Zeugnis abzulegen, aber selbst wenn jemand übrigbleiben sollte, würde die Welt ihm nicht glauben. Es wird vielleicht Verdacht geben, Diskussionen, Untersuchungen von Historikern, aber es wird keine Gewißheit geben, denn wir werden die Beweise zusammen mit euch zerstören. Und selbst wenn einige Beweise übrigbleiben und einige von euch überleben sollten, werden die Leute doch sagen, daß die Vorgänge, die ihr beschreibt, viel zu monströs sind, um glaubhaft zu sein: Sie werden sagen, daß das Übertreibungen der alliierten Propaganda sind, und uns glauben, die wir alles abstreiten werden, und nicht euch. Wir werden die Geschichte der Lager diktieren!“

VOM ENDE EINER GESCHICHTE
Kiepenheuer & Witsch, 192 Seiten, ISBN 978-3-462-04433-1

Vorgestern habe ich den neuen und vielgerühmten Roman Vom Ende einer Geschichte von Julian Barnes zu Ende gelesen. Aufmerksam wurde ich auf das Buch, weil es in allen Kulturmedien besprochen wurde, schließlich erhielt Barnes für diesen Roman den Booker Price. Von Julian Barnes kannte ich bisher Flauberts Papagei und die Kavanagh Krimis.

Zum Inhalt des aktuellen Buches:
Tony Webster ist Rentner, hat eine erfolgreiche Berufskarriere und eine Ehe (gütliche Trennung) hinter sich. Er erinnert sich 40 Jahre zurück, an seine Schulzeit und an den Tag, als Finn Adrian seiner Clique beitrat. Er war der mit Abstand intelligenteste von den vieren. Sex und Bücher, das waren die Themen der Freunde, sie probierten sich als moderne Dandys und diskutierten philosophische Fragen. Einen Bruch gab es, als Finn Tony die Freundin ausspann. Später aber geschah ein noch viel tieferer Einschnitt: Finn Adrian nahm sich das Leben. Der Grund hierfür blieb im Dunkeln. So erinnert sich Webster an seine Schulzeit bis er eines Tages ein Teil des Tagebuches Finn Adrians erhält. Und seine Erinnerung erweist sich nun als durchaus trügerisch…

EINFACHE GEWITTER
Berlin Verlag, 448 Seiten, ISBN 978-3833307010

Der Inhalt sei aus dem Klappentext zitiert: “ … Von einer Sekunde auf die andere muss Adam Kindred, angesehener Klimatologe auf Durchreise in London, untertauchen. Jeder Weg zu seinem früheren Leben ist versperrt. Kontakt zur Familie nicht möglich, Kreditkarte und Mobiltelefon nicht zu benutzen, das Hotelzimmer außer Reichweite. Nur Stunden zuvor hatte er in einem kleinen italienischen Restaurant in Chelsea Philip Wang kennengelernt, Chef-Entwickler des Pharmakonzerns Calenture-Deutz.“

Mehr soll nicht verraten werden, außer dieses: Adam muß untertauchen und erlebt die Welt plötzlich aus völlig anderem Blickwinkel (von unten sozusagen). Schließlich gelingt es ihm, die Initiative zu ergreifen, und er ermittelt fortan selbst in seinem Fall. Und das Ende, das verrate ich jetzt doch, ist ein Happy End, das sich themsemäßig gewaschen hat.

Die Kritik war zum Teil überschwenglich, ein Thriller mit literarischem Anspruch hieß es, so schrieb zum Beispiel die geschätzte Iris Radisch in Die Zeit: „Ein literarischer Thriller – unglaublich raffiniert gemacht!“ Nun ja, ich weiß wirklich nicht, ob man dem folgen kann: Ich habe den Roman durchaus mit Interesse gelesen, auch wenn ich auf den immerhin 445 Seiten einige Längen zu überstehen hatte. Aber was mich wirklich geärget hat: Eher schwach gezeichnete, unglaubwürdige Figuren, Ungenauigkeiten in der Beschreibung des Pharma-Geschäfts und eine klischeehafte, irgendwie flach erzählte Geschichte. Nö, der Brecher war dieser Kriminalroman nicht, sorry!