2016

Dörlemann Verlag 2016, ISBN 978-3-03820-026-0, 160 Seiten, auch als eBook erhältlich
Übersetzt von Maria Hummitzsch

Diesen kleinen Roman einzuordnen, fällt nicht leicht. Und vielleicht sollte man das auch einfach lassen, denn es ist ein Gewinn, dass man diese Geschichte in vielen Lesarten genießen kann: Ende des neunzehnten Jahrhunderts schreit während eines Spazierganges Mrs. Silvia Tebrick, geborene Fox, auf und als ihr Ehemann Mr. Tebrick sich ihr zu wendet, sieht er statt seiner Gattin einen Fuchs, genauer gesagt eine Fähe, die einst seine Frau war. Mit fast stoischer Ruhe und Gelassenheit nimmt er dieses Mysterium an und führt fortan mit seiner Frau der Fähe das Eheleben so gewohnt wie möglich weiter. Er kündigt dem Hauspersonal, beziehungsweise schickt es für unbestimmte Zeit in den Urlaub, um einen Skandal zu vermeiden. Das Problem: Die sich an ihr früheres Leben erinnernde Füchsin verwildert zusehens. Ihr einstiges Menschsein verschwindet nach und nach aus ihrem Fähenbewußtsein. Wer sich nun an Kafkas „Die Verwandlung” erinnert fühlt, liegt nicht so falsch. Mit einer großen Gelassenheit wird auch hier die plötzliche Verwandlung zur Kenntnis genommen, auch hier spielen psychologische Vorgänge eine wichtige Rolle, aber die Kälte der Familie in Kafkas Erzählung weicht in Garnetts kurzem Roman der unerschütterlichen Liebe des Ehemanns. Der Roman weißt einige überraschende Wendung auf, hat rührende Szenen und ein berückendes Ende. Es darf hier nicht zu viel verraten werden.

Ariadne Kriminalroman 2016, ISBN 978-3-86754-213-5, 384 Seiten, auch als eBook erhältlich.

Die gelernte Historikerin (Wirtschaftsgeschichte der Neuzeit!) Dominique Manotti veröffentlicht mit „Schwarzes Gold” ihren neunten Roman. Sie ist seit ihrem Erstling „Hartes Pflaster” von 1995 (auf Deutsch 2004) außerordentlich erfolgreich und rangiert in Krimi-Bestsellerlisten regelmäßig auf den vorderen Plätzen. Ihr direkter Stil zeichnet sich durch das Fehlen jedes Pathos aus, kommt ohne Schnörkel und Verzierung ans Ziel und steht einem James Elroy und dem Roman Noir nahe. Sie breitet ein gesellschaftspolitisches Panorama der Zeit aus, wobei die klassische Krimi-Spannung nicht selten ein wenig in den Hintergrund tritt. Man erfährt gesellschaftliche Zusammenhänge, ohne je belehrt zu werden. Das erwartet vielleicht nicht jeder von einem Kriminalroman. Wer aber mit gesellschaftskritischen Krimis einverstanden ist, kann kaum eine bessere Autorin finden.

CulturBook 2015, ISBN 978-3-944818-80-1, 372 Seiten, eBook

Dieses sei vorweggenommen: Das Buch gibt es (bis dato) ausschließlich als eBook bei CulturBook. Inzwischen hat das Haus angekündigt, dass ein oder andere Buch auch drucken zu wollen. Allerdings ist der Verlag ein Spezialist für elektronische Bücher (und mein persönlicher Lieblingsverlag für eBooks). Wegen der unschlagbaren Ästhetik der Buchcover und der interessanten Auswahl von Autoren und Autorinnen lohnt sich unbedingt ein Blick auf das Sortiment. Geführt wird CulturBook von Jan Karsten und der bekannten Autorin Zoë Beck.

Nun aber zu einer kurzen Vorstellung der Autorin von „Die Bauchtänzerin”: Safeta Obhodjas wurde 1951 in Pale (Bosnien und Herzegowina) geboren und ist eine bosnische Schriftstellerin. Sie begann neben Kindererziehung und Erwerbstätigkeit Journalismus zu studieren und veröffentlichte 1979 ihren ersten Erzählband. Ihre Themen kreisen um Frauen zwischen den Kulturen: „Ich schreibe keine Liebesromane. Ich schreibe über bosnische Frauen, die im Namen der Liebe ausgebeutet werden, sogar von ihren eigenen Familien“. Nach ihrer Vertreibung aus ihrer Heimat lebt sie seit 1992 im Exil in Deutschland. Safeta Obhodjas Forderung: „Die Stimmen von Muslimen, die europäisch leben möchten und jegliche Gewalt im Namen des Glaubens verabscheuen, müssen lauter werden.” Der Roman „Die Bauchtänzerin” erschien 2006 in bosnischer Sprache und wurde von der Autorin selbst ins Deutsche übertragen.

Herausgegeben von Carsten Ramm. Mit einem Nachwort von Rolf Aurich und Wolfgang Jacobsen.
Verbrecher Verlag 2014, ISBN: 9783957320636, 120 S., auch als eBook erhältlich.

Im November 1941 waren es nur wenige Trauerende, die dem Begräbnis der Schauspieler Joachim und Meta Gottschalk und ihrem achtjährigen Sohn Michael beiwohnten. Von den ehemaligen Kollegen und Kolleginnen waren es unter anderem Brigitte Horney, Gustav Knuth und Elisabeth Lennartz, Hans Brausewetter, Werner Hinz, Wolfgang Liebeneiner und Ruth Hellberg. Wenige Tage zuvor hatte die Familie die Nachricht erreicht, daß die Ehefrau Meta Gottschalk, geborene Wolff, zusammen mit ihrem Sohn deportiert werden sollte. Der von den Behörden geforderten Trennung von der jüdischen Ehefrau hatte sich Joachim Gottschalk, ein damals sehr bekannter Schauspieler der UFA, stets widersetzt. Die Familie sah keinen anderen Ausweg als den gemeinschaftlichen Suizid.

A. d. Engl. v. Conny Lösch. Kunstmann, München. 303 S., ISBN 978-3-88897-967-5, auch als eBook erhältlich

Ein mit privaten Datenansammlungen vollgepropfter Laptop gibt plötzlich seinen Geist auf und verirrt sich anschließend auf dem Weg in die Reparaturwerkstatt in den Irrgängen des deutschen Postwesens. Wo sind die Daten geblieben? Wer ist in deren Besitz? Wird die Besitzerin je ihren portablen Rechner wiedersehen? Dieses Szenario hat mit einem Kriminalroman des schottischen Autors William McIlvanney natürlich nichts zu tun: Laidlaw spielt im Glasgow der 1970er Jahren. Aber es beschreibt meine Situation just zu dem Zeitpunkt, an dem ich mit der Rezension über Laidlaw beginnen wollte. Nach drei zu Teilen recht verzweifelten Wochen tippe ich wieder glücklich auf meinem Mac und auch wenn die Lektüre von McIlvanneys Laidlaw schon ein wenig her ist: Der Roman ist einfach zu gut, als daß er hier nicht wenigstens kurz Erwähnung finden sollte.