Lit: Belletristik

Nein, eine Rezension oder gar Kritik dieses ersten Teils der Joseph-Tetralogie von Thomas Mann werden diese Bemerkungen nicht sein. Dazu fehlt mir an Fachwissen so ziemlich alles. Ich habe mich an ›Die Geschichten Jaakobs‹ herangewagt, nachdem ich wieder und wieder um das umfangreiche Romanwerk der Joseph-Romane herumgeschlichen bin, und werde hier in groben Zügen meine Erfahrung teilen. Es gibt ein paar Hindernisse, die zu überwinden gilt, aber am Ende alles halb so wild. Das Vergnügen ist groß, viel größer als erwartet. Zuerst also ein kleiner Überblick, um was es sich bei diesem vierteiligen Zyklus überhaupt handelt.

Die Neuausgabe von Eduard von Keyserlings ›Wellen‹ in der ›Manesse Bibliothek‹ 2011 hatte mal wieder für einige Bewegung im deutschsprachigen Feuilleton gesorgt: Die soundsovielte Wiederentdeckung des Autors. Inzwischen gibt es auch noch Sammlungen der Erzählungen (2018), der späten Romane (2019) und der Feuilletons (2021) in der Schwabinger Ausgabe, ebenfalls bei Manesse. Eduard Graf von Keyserling entstammt dem baltischen Zweig der ländlich-adeligen Familie Keyserlingk auf Schloss Tels-Paddern im heutigen Lettland, so steht es in Wikipedia. Er wurde dort 1855 geboren und starb schwer krank und verarmt, doch bis zuletzt außerordentlich produktiv 1918 in München. Der Roman ›Wellen‹ von 1911 gehört zu seinem Spätwerk und stellt ohne Zweifel einen Höhepunkt seines Schaffens dar.

Virginia Woolfs 1925 erschienen Roman ›Mrs. Dalloway‹ war längst einmal an der Reihe, von mir gelesen zu werden. Zu lange schon stand die Neuübersetzung von Melanie Walz aus dem Jahre 2022 ungelesen im Regal. Als nun in Bluesky, einer Social-Media-Plattform, die ich nach dem Abgesang von Twitter neben Mastodon (Fediverse) nutze, ein Buchclub die Lesung von Mrs. Dalloway in 11 Tagen (10 Lesetage, ein Ruhetag) ankündigte, war ich dabei. Ich habe noch nie in einem Lesekreis mitgemacht, ich hatte Mrs. Dalloway noch nicht gelesen, also los.

Kennt man Angela Carter heute noch? Sie war keine Unbekannte als 1979 ihr wohl berühmtestes Buch ›The Bloody Chamber‹ veröffentlicht wurde. Als Godmother der feministischen (Horror-) Literatur bezeichnet sie Suhrkamp im Klappentext. Ganz so einfach ist das mit solchen Zuschreibungen vielleicht nicht, wie wir noch sehen werden. Auf jeden Fall hat sich der Verlag 46 Jahren nach Erscheinen der Erstausgabe daran gemacht, dieses sehr besondere Buch in einer (sehr guten) Übersetzung von Maren Kames neu aufzulegen. Ich kannte Angela Carter, die in England zu den wichtigsten Autorinnen der Nachkriegsliteratur zählt, nicht, ich kannte auch dieses Buch nicht und ich staunte bei der Lektüre nicht schlecht.

»Am 15. Jänner 1991 um 12:30 verstarb die Schriftstellerin, Übersetzerin, Verlagslektorin, Leihbibliothekarin und Widerstandskämpferin im Zweiten Weltkrieg Doris Brehm, geborene Diez, im Alter von 82 Jahren im Wiener Wilhelminenspital.« So beginnt die Suche nach den Lebens- und Schaffensspuren Doris Brehms, deren Ergebnisse von der Herausgeberin Bettina Balàka und der Historikerin Bettina Prager zusammengestellt wurden und im Anhang dieser Ausgabe zu finden sind. Doris Brehms Roman ›Eine Frau zwischen gestern und morgen‹ ist der Auftakt einer neuen Reihe des österreichischen Verlags Haymon (Haymon Her Story: Wiederentdeckte Literatur von Frauen), die von Bettina Balàka herausgegeben wird und sich vergessenen deutschsprachigen Autorinnen widmet.

Dann also mal los. Es liegt noch manches ungelesen in den Regalen, aber jetzt soll es ans Ende gehen. Raabes vorletzter vollendeter Roman und vielleicht der wichtigste? An ›Die Akten des Vogelsangs‹ schrieb Raabe gut zwei Jahre. Er plagte sich. 1895 veröffentlicht gehört es natürlich zum Alterswerk und damit zu dem Abschnitt seines Schreibens, der uns heute mit Abstand am meisten interessiert. Während er an dem Buch schrieb, feierte er seinen 63-jährigen Geburtstag. Ich bin, während ich hier berichte, nur wenig älter und behaupte, dass es im doppelten Sinne ein Alterswerk ist. Wer schon ein wenig erlebt hat, wer noch in der Lage ist, in sich zu fühlen und Fragen zu stellen, wird von diesem Buch angefasst werden.

»Der neue Wunnicke ist da«, so hallt es durch Blätter und Webseiten. Kein Feuilleton lässt sich das 2025 im Berenberg Verlag erschienene ›Wachs‹ von Christine Wunnicke entgehen und viele Blogs besprechen zeitnah. Mir wurde die Autorin mit der Verleihung des Wilhelm-Raabes-Literaturpreises 2020 bekannt und ich habe seitdem alle ihre Veröffentlichung gelesen. Nur einige frühere Romane stehen noch in wartender Stellung im Regal. Ich gehöre also zu den geneigten Leserinnen und Leser ihrer Romane und will deshalb an diesem Ort ebenfalls ein paar Anmerkungen zu ihrem neusten Roman loswerden.

Ich hatte stets einen Bogen um ihre Bücher gemacht, doch nun war aus einer Laune heraus der mir selbst erteilte Auftrag, ein Buch von Patricia Highsmith zu lesen und mich notfalls auch durchzubeißen. Meine Wahl fiel auf ›Zwei Fremde im Zug‹ (›Strangers on a Train‹). Der Roman wurde 1950 veröffentlicht und war Highsmiths Erstling. Im Gegensatz zu manch anderen Kollegen und Kolleginnen hatte die Autorin Stil und Thema ihres Schreibens bei ihrem Debüt schon beieinander. Highsmith war 29, hatte das Buch schwierigen persönlichen Lebensumständen abgerungen und wurde nach der Veröffentlichung sogleich berühmt. Eine bald folgende Verfilmung des Romans durch Alfred Hitchcock tat ihr Übriges.

Es ist immer zu viel los und die benötigten Pausen (= einfach nur blöd schauen) werden mit zunehmenden Alter länger. Deshalb erst jetzt der Rückblick auf meinen ersten Lesemonat im neuen Jahr. (Ein wenig Gitarre habe ich übrigens wieder gespielt, was sehr erfreulich ist, denn die olle Schulter scheint wieder mitzumachen.) Aber bleibe ich bei den Büchern: Die erste Lektüre dieses Jahr war ›Mario und der Zauberer‹ von Thomas Mann. Kennt man natürlich, aber vielleicht ist es schon länger her, dass die Novelle gelesen wurde. Dann schreiben ja alle Zeitungen von Wolf Haas und seinem neuen raffinierten Roman ›Wackelkontakt‹. Natürlich war ich ein Fan von Brenner, warum also nicht zu dem gelben Buch mit dem unscharfen Cover greifen? Last but not least sollte es ein Krimi sein. Oder vielleicht doch eher ein Roman? ›Die Aosawa Morde‹ von Riku Onda.

Noch vor dem Jahreswechsel holte ich mir ein Stück wohlig lesende Kindheit zurück. Ich besorgte mir nach einigem Hin- und Her (überquellende Regale) den vierbändigen Schuber ›Walt Disneys wunderbare Welt‹. Den roten Schuber mit den großformatigen roten, orangen, grünen und blauen Bänden aus dem Hause Ehapa muss ich nur anblicken, um einen emotionalen Kick um mehr als 50 Jahre zurück zu erleben. Wie prägend diese Kassette war, bemerkte ich später in meiner Social Media Blase: Doch so einige Menschen reagierten darauf und hatten die Bände aus dem Jahre 1969 (oder einer späteren Auflage) in ihr Erwachsenenleben hinübergerettet.