Carl Nixon: Fish ‘n‘ Chip Shop Song und andere Geschichten

Übersetzt von Kim Keller, Martina Schmid und Sophie Sumburane. Digitale Originalausgabe. CulturBooks Album, März 2016. 215 Seiten. 8,99 Euro. ISBN 978-3-95988-037-

Ich krame in meinem Gedächtnis: Wann habe ich das letzte Mal einen Erzählband bis zum Ende ausgelesen? Ich glaube, das tat ich noch nie. Bis auf dieses eine Mal. Fünfzehn Geschichten des Neuseeländers Carl Nixon. Alle spielen in Neuseeland, könnten aber auch an jedem anderen Ort spielen. Nicht selten geht es um Vater-Sohn-Beziehungen (man kann ja durchaus auch mal über den Tellerrand hinausschauen), ansonsten zeigen sich die Erzählungen sehr abwechslungsreich, auch was Stil und Erzählperspektive angeht. Da geht es um eine jäh beendete Idylle und einen bedauernswerten Papagei, um das kurze Glück eines Obsthändlers, um eine eigenartige Verführung, die fotografische Idee eines Vaters, die Wut von Pensionären oder die Routine eines Treffens von Vater und Sohn, die plötzlich keine mehr ist. Man ist etwa in der Hälfte der Sammlung angekommen und trifft auf die titelgebende Erzählung „Fish ‘n‘ Chip Shop Song”: langweiliger Automatismus, eingefangen in einem Refrain mit einem Schuss Romantik, ein geniales Stück. Im zweiten Teil taucht dann plötzlich eine Person auf, die man bereits zu kennen meint. Man wischt zurück, ach ja stimmt, dann liest man weiter.

Auf meiner werktagtäglichen Busfahrt zur Arbeit hatte in etwa eine Geschichte pro Tour Platz. Oft haben mich deren Figuren, Situationen und Schicksale über den Tag begleitet. Es gab auch letzte Sätze, die mich zu Tränen gerührt habe. Überall war tief gefühlte Menschlichkeit zu spüren, eine Wärme, die gänzlich ohne Sentimentalität auskommt. Eine der vielen Höhepunkte sicherlich, im Bus zur Arbeit sitzend „Experimente von Raum und Zeit” zu lesen: Ein Busfahrer versucht die makellose Tour und rechnet. Es heißt dort am Schluß: „0807.133567 Keiner der Fahrgäste bemerkt, wie der Bus Perfektion erreicht.” Doch, ich hatte es bemerkt, wissend, lächelnd.

In „Fish ‘n‘ Chip Shop Song” wird auf großartige Weise der Kosmos unseres Lebens erzählt. Wer einmal probieren will, ob er sich nicht doch mit Kurzgeschichten anfreunden könnte, sollte diese von Carl Nixon lesen. Seine drei Romane, „Rocking Horse Road”, ”Settlers Creek” und ”Lucky Newman” gibt es wahlweise beim Weidle Verlag oder digital bei CulturBooks zu kaufen. Die Erzählungen, übersetzt von Kim Keller, Martina Schmid und Sophie Sumburane, exklusiv bei CulturBooks.

4 Kommentare on "Carl Nixon: Fish ‘n‘ Chip Shop Song und andere Geschichten"


  1. Liebe Lena, wieder mal ein toller Tipp, den ich mir notiert habe.
    Ich bin neugierig auf dieses Buch, weil ich denke, dies könnten Geschichten sein, so wie ich sie mag.
    Vor kurzem habe ich alle (!) Kurzgeschichtenbücher von Raymond Carver gelesen – sie waren allesamt faszinierend, nachdenkenswert, gänsehauterzeugend und perspektiveverändernd.
    Wie Türen, die sich öffneten.
    Liebe Grüße für dich!

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