Nun habe ich sie doch tatsächlich zusammengekauft, meine kleine Wilhelm-Raabe-Bibliothek. Die wunderbaren Insel Reihe von 1985, die ich zur Hälfte besaß, habe ich mit Hilfe des Klassikerforums (hier wird Sie geholfen) und ZVAB Suche komplettiert. Den Hastenbeck (Band 9 der Reihe, und die letzte vollendete Erzählung von Raabe aus dem Jahre 1899) sogar in der 1981er Ausgabe, die zusätzlich mit einem Bildanhang versehen ist. Die zehn Bände enthalten die nach Raabes eigener Meinung gelungensten & aus heutiger Sicht lesenswertesten Werke und sind chronologisch geordnet.
Dann habe ich dem Abu Telfan (Arno Schmidt schwärmte von diesem Roman, ich finde ihn interessant, sehr sogar, aber Raabe sind bessere gelungen), der den Mittelteilteil der Stuttgarter Trilogie darstellt, seine beiden Geschwister, den Hungerpastor (ob antisemtisch oder nicht, mag jeder selbst entscheiden, wiederlesenswert ist der Roman allemal) und den Schüdderump (vielleicht der beste der drei) wiedersehen lassen. Da ich Allergikerin bin und mir ältere Buchausgaben mitunter schwer zusetzen (ausgerechnet!), blieb mir hier nichts anderes übrig, als etwas tiefer ins Portemonnaie zu greifen und die gepflegten Bände der wissenschaftlichen Ausgabe zu erwerben. Dazu gesellen sich ein paar schmälere Texte und alles zusammen steht nun verführerisch da, gebettet zwischen Jean Paul, Wilhelm Busch und Adalbert Stifter …. man sehnt sich direkt nach den ungemütlichen & kalten Wintertagen.
Ein paar Worte noch zu Die Chronik der Sperlingsgasse, neben dem Stopfkuchen das wohl berühmteste Werk von Wilhelm Raabe: Es ist sein erster Roman, 1857 unter dem Pseudonym Jakob Corvinus veröffentlicht. Die Chronik war sein Durchbruch, blieb zeitlebens sein größter Erfolg (neben dem Hungerpastor) und als Folge wurde Wilhelm Raabe Berufsschriftsteller. Heute kommt der Roman etwas behäbig und altväterlich daher (auf der anderen Seite durchaus gesellschaftskritisch und überhaupt: ein ganz wunderbar-wunderliches Buch). Es gibt aber einen anderen Grund, warum ich die Chronik mit großem Interesse lese; ich habe nämlich nachgesehen, was es mit der Sperlingsgasse in Berlin auf sich hat:
1931 wurde sie Raabes zu Ehren in Sperlingsgasse umbenannt. Zu seinen Lebzeiten hieß sie Spreegasse, und hier lebte Raabe während der Niederschrift der Chronik 1854/1855. Und ganz in der Nähe, in der Roßstraße (die gibt es heute nicht mehr, war eine Parallelstraße zur Petristraße, etwa auf Höhe der heutigen Fischerinsel, wenige hundert Meter südöstlich der Spreegasse) lebte bis zu seinem Tode 1859 mein Urururgroßvater, der Anfang des Jahrhunderts von Katzenstein bei Harburg im Donau-Ries hierin gezogen war. Der Erzähler in der Chronik hat sogar das ungefähre Alter meines Urahnen. Und so lebt auch ein Stück von ihm beim Lesen dieses Romans.
Meine Empfehlung für den Raabe-Einstieg? Na klar, den berühmten Stopfkuchen, das unheilvolle Odfeld oder die wunderbare Novell Zum wilden Mann.