Kamka 2023, 384 S., aus dem Polnischen von Lisa Palmes und Lothar Quinkenstein, ISBN 978-3311100447, auch als E-Book erhältlich.
Da ist er nun: Der neue Roman der Nobelpreisträgerin. »Ein feministisch-ökologischer Schauerroman, Olga Tokakarczuks hintersinnige Replik auf Thomas Manns Zauberberg« wie der Verlag schreibt. Ich habe den Zauberberg vor nicht allzu langer Zeit gelesen und ich war von Tokarczuks ›Ur und andere Zeiten‹ hingerissen. So musste man mich nicht allzu sehr überreden, damit ich zum Buch griff. Erst einmal hieß es, den Titel zu entschlüsseln: Empusa ist eine Schreckengestalt, eine Spukgestalt aus der griechischen Mythlogie. Und Empusa ist weiblich. Nun also begleiten wir Mieczysław Wojnicz bei seinem Weg aus Lemberg in das schlesische Lungensanatorium in Görbersdorf: Die Brehmer’schen Anstalten. Dem bekannten Lungensanatorium in Davos soll es als Vorbild gedient haben. Das Sanatorium gibt es heute noch, Gröbersdorf heißt heute Sokolowsko.
Der Ingenieurstudent Wojnicz steigt also im September 1913 nach einer anstrengenden Zugfahrt in einem nahe dem eigentlichen Kurhaus gelegenen Gästehaus für Männer ab. Die hier eingemieteten Herren politisieren sich bei einigen Likörs der Marke ›Schwärmerei‹ die Köpfe heiß. Auch die Frauenfrage wird diskutiert und bei diesem Punkt ist man sich ausnahmsweise einig: Als vollwertiger Mensch ist dieses Geschlecht keineswegs zu betrachten, Mann hat auf der Hut zu sein. Dann liegt die Ehefrau Klara des Hausverwalters Opitz tot auf dem Küchentisch. Sie hat sich erhängt, so sagt man. Und dann ist da noch die dämonenhafte Natur, der schlesische Dunkelwald mit seinen schrecklichen Köhlern und Gespenster. Aus diesem Wald werden fürchterliche Gestalten zum Martinstag kommen und sich wie jedes Jahr einen Menschen holen.
Zurück zu Wojnicz. Dieser hat eine panische Angst, beobachtet zu werden. Er verstopft sogar Türschlösser, um ja nicht ausspioniert zu werden. Warum nur? Doch der Erzähler ist in diesem Roman ständig anwesend, es entgeht ihm nichts, er kriecht in jede Ecke. In diesem Text ist viel Nebel, Unbegreifliches, Geisterhaftes. Auflösung später, doch ja, die Auflösung kommt und ist durchaus überzeugend. Mit solch mystischen Elementen hat die Autorin den wunderbaren Roman ›Ur und andere Gestalten‹ komponiert, hier, so will mir scheinen, will sich die Magie nicht einstellen. Nicht für mich.
Ich möchte betonen: Weder habe ich Germanistik studiert, noch schreibe ich über meine Lektüren, um Urteile über Bücher abzugeben. Vielmehr schreibe ich, um Leseeindrücke mitzuteilen. Und hier sind meine Eindrücke gänzlich andere als die der Feuilletons. Ich vermute also ich liege falsch, habe zu viel nicht verstanden. Die handelnden Personen blieben mir während der Lektüre Stereotype (ganz anders doch der Castorp), wenn mich auch die Gestalt des Wojnicz gegen Ende des Buches durchaus rührte. Die lang ausgebreiteten Misogynien der Gästehausmieter ließen mich allenfalls seufzen (man kennt das doch inzwischen) und die am Ende des Buches platzierte Liste der Autoren, aus deren Werke dieser frauenfeindliche Schmarrn zitiert wurde (Milton, Schopenhauer, Weininger, etc, die üblichen Verdächtigen eben), mag auch kein Erstaunen hervorrufen. Das Mystische, Nebulöse, Unheimliche dieses Textes wiederum zieht sich, ja die letzten 50 Seiten haben es dann noch einmal in sich, aber bis dahin ist es ein langer Weg. Am Ende verstärkt sich in mir der Eindruck, dass hier ein Zeitthema abgehandelt werden soll, literarisch versiert, aber ohne sprachlichen Zauber. Aber wie schon gesagt: Alle anderen finden diesen Roman toll. Je nun.
Tja….
…manche Bücher packen mich einfach nicht.
Recht so. Muß ja auch nicht sein.
Liebe Grüsse!
[winkt!]