Kiepenheuer und Witsch, 576 S., ISBN: 978-3-462-04466-9
Berlin 1932: Ein ertrunkener Mann in einem Lastenaufzug, eine junge Frau in der Mordkommission und ein Indianer in den masurischen Wäldern. Vertuschter Mord, gepanschter Schnaps, organisiertes Verbrechen. Bayern München wird Deutscher Fußballmeister und gegen die Berliner Polizeiführung wird geputscht. Durch den östlichen Teil des deutschen Reichs zieht sich ein polnischer Korridor, während im südlichen Ostpreußen große Teile der Masuren (sich vorzustellen als eine Art von Ostwestfalen! O-Ton Rath) Adolf Hitler als ihren Heilsbringer feiern. Eine Menge Stoff für einen Kriminalroman.
Auch im vierten Roman um den Berliner Kommissar Gereon Rath zeigt Volker Kutscher, wie außergewöhnlich souverän er sein Handwerk versteht. Der aktuelle Fall des gebürtigen Kölners und Katholiken Rath führt ihn in das protestantisch geprägte südliche Ostpreußen nach Masuren. Hier herrscht eine chauvinistisch-aufgeheizte Stimmung, vor allem gegen die polnischen Nachbarn. Und nicht nur die aufstrebende SA weiß diese Umstände zu nutzen. Gleichzeitig bricht auch in Berlin eine neue Zeitrechnung herein. Kutscher recherchiert die geschichtliche Situation nicht nur genau, sondern macht sie an den handelnden Personen fest und ermöglicht so dem Leser, tief in die jüngere deutsche Geschichte einzutauchen. Dazu erfindet er einen spannenden und komplexen Kriminalfall, der für sich allein genommen der Lektüre wert ist. Ob als Kriminalroman im geschichtlichen Gewand oder Geschichte verpackt in einem Kriminalfall: Dies ist allerbeste Unterhaltung und verdient meine unbedingte Empfehlung. Wem die Hardcover-Ausgabe zu teuer ist darf gesagt werden, daß die ersten drei Gereon-Rath-Fälle als Taschenbuch erschienen sind.