Noch vor dem Jahreswechsel holte ich mir ein Stück wohlig lesende Kindheit zurück. Ich besorgte mir nach einigem Hin- und Her (überquellende Regale) den vierbändigen Schuber ›Walt Disneys wunderbare Welt‹. Den roten Schuber mit den großformatigen roten, orangen, grünen und blauen Bänden aus dem Hause Ehapa muss ich nur anblicken, um einen emotionalen Kick um mehr als 50 Jahre zurück zu erleben. Wie prägend diese Kassette war, bemerkte ich später in meiner Social Media Blase: Doch so einige Menschen reagierten darauf und hatten die Bände aus dem Jahre 1969 (oder einer späteren Auflage) in ihr Erwachsenenleben hinübergerettet.
Die Bände sind reich illustriert und enthalten Disneyadaptionen, Tier- und Naturgeschichten, Berichte aus fremden Länder, Märchen und Fabeln. Alles einmal durch den Disneywolf gedreht, aber was solls: Es war das All-In-One-Paket für Kinder und es hatte keine Sprechblasen, was unsere Eltern wohlwollend registrierten. Apropos Sprechblasen: Den Band ›Land der Fantasie‹ übersetzte Erika Fuchs, die legendäre Übersetzerin für das deutschsprachige Entenhausen.
Nachdem ich dann das neue Jahr mit Freunden, Sekt, Tarotkarten und einer angebrachten Portion Skepsis begrüßt hatte, gab es einen ordnungsgemäßen Spaziergang an Neujahr. Es gab keinen Schnee auf meiner Seite der Donau, auf der anderen offensichtlich schon. Es bot sich mir ein einzigartiger Blick auf die Winzererhöhen, die, bedeckt mit Raureif (oder Schnee?), wie Gebirge aussahen. Gut, ich bin durchaus mit Phantasie versehen und meine Augen sind nicht mehr so gut, aber seht selbst.
Meine erste Lektüre im neuen Jahr war dann ›Dumbo, der fliegende Elefant‹. Für viele einer der schönsten Disneygeschichten, so auch für mich. Dann folgte ›Umlaufbahnen‹ von Samantha Harvey, übersetzt von Julia Wolf (›Walter Nowak bleibt liegen‹): Es geht um sechs Astronauten aus verschiedenen Nationen, die sechzehnmal täglich die Erde umrunden, also auch genauso oft die Sonne auf- und untergehen sehen. Sie verrichten derweil ihre tägliche Routinen, unterhalten sich, denken über ihre eigene Lebenssituation und über unseren Planeten nach. Einer Erde, von der sie im Moment der Umrundungen denkbar weit entfernt sind. Naturgemäß ändert sich in dieser Situation Denken und Fühlen. Der Roman hat 220 Seiten und die kurzen Kapitel sind nach den auf- und absteigenden Umlaufbahnen eingeteilt. Einen eigentlich Plot hat dieser Roman nicht und ich frage mich, ob man ihn dann überhaupt einen Roman nennen sollte. Ich mache es kurz: Ich habe nach anfänglicher Begeisterung für manche Perspektive auf unser Erdenleben den Faden komplett verloren. Keine der Figuren kam mir nah, mich interessierten somit ihre Lebensproblematiken nicht und die poetisch ausgedrückte Trauer um die Welt, die wir längst zerstört haben, wirkte auf mich ermüdend. Die ganze Konstruktion der Erzählung empfand ich als aufgesetzt. Ich muss hier komplett falsch liegen und eine fehlende Bereitschaft, mich auf das Buch und dessen Sprache einzulassen, an den Tag gelegt haben, denn der Roman hat den Booker Prize 2024 gewonnen und wird in allen großen Feuilletons begeistert gefeiert. Tja.
Dann habe ich nach 6 Stunden ›Schatzinsel‹ noch einen Bing-Watch hingelegt. Und zwar die vierte Staffel der ›True Detective‹ Reihe: ›Night Country‹. Wir befinden uns in den sechs einstündigen Folgen irgendwo in der Arktis, in Alaska. Für eine Zeitlang wird es nicht mehr Tag (arktische Nacht) und die Leute die hier leben sind alle ein wenig angespannt. Das Raubein Detective Liz Danvers (Jodie Foster) untersucht an der Seite von Evangeline Navarro (Kali Reis) das spurlose Verschwinden eine Forschergruppe von 8 Männern, die in der Tsalal Arctic Research Station in Alaska gearbeitet haben. Es geht unter anderem um Rassismus, Profitgier und Naturzerstörung, schockierende Morde und vielleicht ein wenig zu viel Hokuspokus. Mein Urteil: Kein Kracher, aber routiniert und gut gemacht. Kann man sich durchaus anschauen, wenn man die Serien auf Wow/Sky abonniert hat.
Wie geht nun der literarische Januar für mich weiter? Neben mir liegt ›Abend mit Goldrand‹ von Arno Schmidt. Endlich mal ran ans Spätwerk. Die eingepreisten Phantasien und Probleme älterer Männer inklusive anzüglicher Rüpeleien ist nachvollziehbar nicht mein Ding, aber da ist ja durchaus noch ein wenig mehr bei Schmidt. Der Roman spielt in meiner Jugend (1974), Martina ist in meinem Alter und auch das sonstige Personal ist mir auf eine Art wohlbekannt. Also wieder so eine Reise. Bei Nichtgefallen oder für danach liegen noch ›Trans-Atlantik‹ von Witold Gombrowicz (Empfehlung ›litteratur.ch‹), ›Walter Nowak bleibt liegen‹ Julia Wolf (das Buch der Übersetzerin von ›Umlaufbahnen‹ wollte ich längst einmal lesen), ›Die Aosawa Morde‹ von Riku Onda (Empfehlung ›Horatio-Bücher‹) und ›Wildefüer‹ von Paul Schreckenbach (Empfehlung ›TOKA-IHTO-TALES‹) bereit.
Ein gutes neues Jahr!
Mir wollte mal jemand den „Abend mit Goldrand“ schmackhaft machen, weil da der Spielhagen eine Rolle spielen soll.
Ich habs dann doch gelassen, wegen des Preises und mich auf Arnos „Kleinwerke“ beschränkt. Auch fehlen hier herum Gesprächspartner.
Das Disneyding findet seine Ostentsprechung im MOSAIK von Hannes Hegen. Kindliche Abenteuerlust und philosophischer Tiefsinn für den erwachsenen Vorleser.
Meine Comiclust ist verdorrt. War Mitte der 90er akut.
Übrig blieben die „Abenteuer in der Elfenwelt“. Ich hab 36 tolle Bände bewahrt, die haben beiden Kindern und mir sehr gefallen. Ein Klassenkamerad meines Sohnes borgte uns dann mal so kleinformatige spätere Bände, die dann „Elfcrest“ hießen und der übliche New York Kanalisationsodysee Sturmflut Mist waren. Die Mystic der frühen Bände völlig futsch. Tiefer Fall. Schade.
»Die Mystic der frühen Bände völlig futsch. Tiefer Fall. Schade.«
Ja, leider. Meist ist das eine Enttäuschung. Man würde gern reisen, aber Tür ist zu.
Eine gute Zeit!
Ein toller Rundumschlag. Da habe ich bemerkt, was ich alles nicht kenne. Klar, Disney. Mit dem rororo Bändchen von Grobian Gans war das Thema für mich beendet.
Bing-Watch – Wow/Sky – Abonnements auf Serien: keine Ahnung von alledem. Ich werde mal recherchieren.
Ich wünsche dir ein gutes Jahr und viel Kurzweil beim Abend mit Goldrand.
Vielen Dank Robert! Dir auch ein gutes Jahr!
PS.: Das mit der Serie ist nicht so wichtig. 😉