S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main 2008, ISBN: 978-3-10-015555-9, 492 Seiten, auch als Taschenbuch und E-Book erhältlich
Der zweite Band von »November 1918. Eine deutsche Revolution« »Verratenes Volk« erschien nach langer und komplizierter Entstehungsgeschichte 1948. Alfred Döblin war seit 1933 mit seiner Familie auf der Flucht, 1939 schließlich aus Frankreich in die USA. In Kalifornien, unter äußerst schwierigen Lebensumständen, war 1941 die Abschrift des zweiten Teils der Trilogie fertig geworden, ein Verleger konnte aber nicht gefunden werden. 1942 schließlich die Entscheidung, das zweite Buch in zwei Teile herauszugeben: »Verratenes Volk« und »Heimkehr der Fronttruppen«. So wurde aus der Trilogie eine Tetralogie. Der Zeitraum der Handlung dieses Bandes erstreckt sich von 22. November bis zum 7. Dezember 1918, vom Sturm auf das Berliner Polizeiministerium bis zum Schießen auf demonstrierende Spartakisten, befohlen vom SPD Stadtkommandanten Otto Wels. Döblin teilt diesen ersten Band des zweiten Teils der Trilogie (ich bleibe jetzt bei dieser Benennung) in fünf Abschnitte (Bücher genannt). Die einzelnen Kapitel der Bücher werden mit Überschriften versehen, manche werden um vorangestellte kurze, oft ironische Zusammenfassungen erweitert (man kennt das vielleicht aus »Berlin Alexanderplatz«). In der Hauptsache ist jetzt Berlin Handlungsort und die im ersten Teil vorgestellten Person werden weiter entwickelt. Eine andere Person, die später von großer Wichtigkeit sein wird, hat ihren ersten zaghaften Auftritt: Rosa Luxemburg.
Es bleibt dabei, dass Döblin die Handlung in viele wechselnde Szenen aufteilt. Es werden Schicksale der Hauptpersonen beleuchtet wie das der Krankenschwester Hilde, des ehemaligen Lehrers Becker oder das des Schriftstellers Stauffer. In beide letztgenannten Protagonisten verarbeitet Döblin persönliche Lebensproblematiken wie religiöse Fragestellungen oder außereheliche Beziehungen. Ferner der politisch-historische Teil: Ebert und sein Rat der Volksbeauftragten, SPDler und Unabhängige (USPD), der Spartakusbund mit Liebknecht an der Spitze und der Generalstab in Kassel unter Groener kämpfen um die Macht im neu entstehenden Deutschland. Der Einfluss der Entente ist allgegenwärtig. Andere Kapitel widmen sich der Berliner Bevölkerung: Nöte und Ängste der Arbeiter, Schiebereien und andere illegale Geschäfte (wer bestimmt in Zeiten solcher Umbrüche, was Recht und Unrecht ist?), zurückkehrende Soldaten. So wird das Gros der Frontsoldaten erwartet, wo doch die Nahrungsmittel eh schon knapp sind. Die Verwobenheit von privaten Schicksalen und historische verbürgten Begebenheiten, ist ohne Zweifel ein großer Reiz dieses Buches. Moralisch deutet Döblin Friedrich Eberts politisch-taktisches Verhalten als Verrat am Volk. Ebert will keine Revolution, das Wesentliche ist für ihn mit der Abdankung der Hohenzollern getan, und er taktiert mit den Generälen, die wiederum aufgrund der militärischen Niederlage und dem Druck der Siegermächte auf das kleinere Übel Ebert setzen. Der Spartakusbund wiederum hat Mühe, die Massen von der Notwendigkeit einer Revolution im Sinne eine Räterepublik zu überzeugen. Die Bevölkerung ist mehr mit sich und den Alltagssorgen als mit großer Politik beschäftigt, weit weg von einem revolutionären Klassenbewusstsein. Und so dreht das politische Karussell in diesem Band auf der Stelle. Nach dem Tod der 16 Spartakisten allerdings ist die Stimmung in Berlin aufgeladen und man erwartet zudem die Rückkehr der Fronttruppen.
Wie gehabt sind Taschenbuchausgaben und das E-Book mit dem weit ausführlicheren Nachwort von Helmuth Kiesel ausgestattet. Für Ungeduldige und Neugierige verweise ich gern auf den Blog von Bonaventura, der alle vier Bände schon vor zehn Jahren vorgestellt hat. Aber auch ich werde natürlich weiterlesen und berichten.
Lena,
Sounds like an interesting book. Certainly a subject I knew nothing about.
Take care and happy Spring!!
Dear Rita,
a special book that unfortunately never got the attention that it deserves. Even in Germany only a few people are well informed about what happened around 1918. Unfortunately the book is not available in English translation. If you are interested in Döblin you can read his famous »Berlin Alexanderplatz« in a new translation.
Thank you for your comment,
wish you a good time,
Lena