Arno Schmidt: Zettel’s Traum

ZETTEL’S TRAUM
Suhrkamp Verlag, 1536 Seiten, ISBN 978-3-518-80300-4

Nun ist es also soweit: Zettel’s Traum ist nach 40 Jahren als gesetztes Buch erschienen. In meinem erweiterten Freundeskreis (gell Martin) wird öfters über dieses Werk gelästert: „Zettel’s Traum“ gilt als Synonym für unsinnige Buchprojekte, die nichts mit dem Bedürfnissen des lesenden Menschen zu tun haben, sondern bestenfalls literarische Prestigeobjekte darstellen. Ich lasse diese Freunde reden, und sehe es vollkommen anders. Sicher: wer liest schon die über 1500 Seiten (großformatig!) von Zettel’s Traum von vorne bis hinten, und vor allem: wer versteht das alles? Aber ist das wichtig? Mir nicht, ich weide in diesem Text und amüsiere mich auf das allerprächtigste! Die Handlung ist eh überschau- bar und man kann wunderbar irgenwo in den Text gehen und sich auf das allerbeste unterhalten lassen. Wenn es einen Text gibt, der nichts für SchnellleserInnen ist, dann dieser.

Was hat es mit diesem Zettel’s Traum auf sich? Da ich ein im Prinzip bequemer Mensch bin, zitiere ich aus dem Text eines Amazon-Rezensenten:

„1970. Zettels Traum (ZT) erschien nach 6-jähriger Niederschrift. Eine literarische Sensation. 1334 Seiten im Format DIN A 3 als Faksimile veröffentlicht. Die komplette Auflage der Erstausgabe von 2000 handsignierten Exemplaren war innerhalb von 3 Monaten ausverkauft, bei einem Ladenpreis von 295 DM für den Stahlberg Verlag und Arno Schmidt (AS) ein unerwarteter Erfolg. Sicher auch deshalb, weil etliche das Buch aus spekulativen Gründen kauften. ZT – der unsägliche Traum gleich dem des Webers Zettel im Sommernachtstraum – ist der Versuch, in einem einzigen 4-Personen-Gespräch eines Tages und einer Nacht eine ins Universale getriebene POE-Analyse, eine wortschöpferische Sprachtheorie (ETYM-Theorie), die Entdeckung der entwicklungspsychologischen 4. Persönlichkeitsinstanz (in Fortentwicklung der Arbeiten FREUDS) und letztlich ein 4-Personen-Schicksal in einer Einheit zusammenzufassen.
Die Teilnahme an diesem literarischen Höllentrip beginnt für den Leser mit dem Einstieg in das Schauerfeld.
Ein älteres Schriftstellerehepaar, Paul und Wilma Jacobi aus Lünen, besucht mit ihrer 16-jährigen Tochter Franziska an einem Hochsommertag einen Jugendfreund, den Privatgelehrten Daniel Pagenstecher (DÄN), der als Einsiedler zwischen seinen Büchern in einem Dorf der Lüneburger Heide lebt. Grund des Besuchs ist das Ziel Pauls und Wilmas, die an einer Übersetzung von Werken POE’s arbeiten, von DÄN nützliche Hinweise zu POE’s Quellen, Dichtkunst, Person und Charakter zu erhalten. DÄN, der allwissende Ich-Erzähler, entwickelt auf Spaziergängen und im Haus einen ausufernden Diskurs über POE’s Werke und Persönlichkeit. Dabei bedient er sich eines phonetisch-kombinatorischen Verfahrens, das es ermöglicht, dem unterschwelligen Nebensinn von Worten und Bildern beizukommen, sowie der FREUD’schen Psychoanalyse, die er um die 4. Persönlich- keitsinstanz erweitert.
ZT ist ein Essay-Roman, dessen durchgehendes Prinzip die Interdependenz ist. Die Polyphonie des Textes lässt AS in der Dreispaltigkeit sichtbar werden. Den Hauptgang der Erzählung nimmt die Mittelspalte auf, die die Handlung ausführt. Sie weicht nach links aus, wenn sie in thematischen Bezug zu POE tritt (POE-Spalte), nach rechts, wenn sie Exkurse ins Zeitlos-Entlegene bietet. In die freien Räume sind platziert Glossen, Kommentare, Exzerpte, Zitate etc.. Das Ganze ist ein ständiges ,Hineinsprechen‘ von Nebenstimmen in den Haupttext.
Die Flut von Worten, Sätzen, Verweisen und Zitaten stellt hohe Anforderungen an den Leser und zwingt ihn zur Interaktion, der Hauptgrund, warum man dieses Buch mE nicht in 600 bis 700 Stunden lesen kann. Man muss sich Notizen machen, eigene Gedanken festhalten und Bezüge zwischen den 3 Spalten herstellen. Dies erfordert wie auch die Text- und Zitatrecherche Zeit und Geduld. Wer ZT lesen will, weiss, worauf er sich einlässt.“

Seit diesem Freitag nun ist die 4 bändige Studienausgabe mein. Habe ein paar Tage mit mir gerungen, aber ging nicht anders: mußte sein!

Übrigens meine Lieblings Arno Schmidt Bücher sind:
· Seelandschaft mit Pocahontas
· Das steinerne Herz

2 Kommentare on "Arno Schmidt: Zettel’s Traum"


  1. Meine sind:
    – das steinerne Herz (weils meine Einstiegsdroge in diesen Kosmao war)
    – aus julianischen Tagen (weil es diesen Kosmos leicht fasslich erklärt)
    – Ritter vom Geiste/Belphegor/ Dyna sore (irgend eins davon, weil ich es liebe, wenn jemand so vergessene Sachen unterhaltsam wiederbelebt.

    Mir geht es mit „Abend mit Goldrand“ ähnlich wie ihnen mit „Zettels Traum“(der mich nie gereizt hat. Früher oder später wird dieser Typoskriptwälzer (also der „Abend mit G.“) wohl doch hier einziehen.

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