Evolver, 200 Seiten (Print), ISBN: 978-3950255874
Das Gute zuerst: Es geht in Fleischwölfe nicht um Vergewaltigung, wie das Cover nahelegen könnte. Es geht um Kannibalismus: Äpfel sind böse (sagt die Bibel), wir sind Gottes Kinder, wir essen Fleisch. Das Fleisch von zufällig vorbeifahrenden Passanten in einer atomverseuchten Wüste. Beschrieben wird die Nahrungsbeschaffung der reizenden Familie Stern aus verschiedenen Perspektiven: Die des Sohnes der Familie, eines ehemaligen Polizisten, eines Liebhabers des Horrorvideo-Genres, eines Toten und mehr. Dann stellt sich noch die Frage, ob es den Film, dem das Buch vorausging, überhaupt gibt, geben kann? Oder ist alles Fiktion? Und was machen die Medien daraus?
Verwirrend? Ja, ziemlich! Abgedreht? Auf jeden Fall! Gut? Und wie! Es wird knapp und in der gesprochenen Sprache erzählt. Das meiste erhellt sich beim Lesen, noch mehr bei der zweiten Lektüre (es sind ja nicht viele Seiten) und einige Dinge bleiben im Dunkeln (vielleicht zum Glück?). Auf alle Fälle geht diese Novelle weit über Splatter und Horror hinaus, ist ein Spiel mit Perspektiven und Wahrnehmungen und ein großartig-schauriger Lesespaß.
Im zweiten Teil geht es um zwei Frauen, die wissen, was Demütigung heißt. Die eine wird schon als Kind absichtlich beim Versteckspiel vergessen und hat auch sonst nicht viel Spaß im Leben. Die andere träumt von der großen Karriere. In der Realität werden aber nur ihre Brüste voluminöser. Die Konstruktion dieser Noirvelle ist einfacher als Fleischwölfe, die Handlung allerdings nicht weniger krass. Es gibt keinen Himmel, kein Meer zu erzählen, sondern die pure Tristesse und stille Wut und Verzweiflung. Kurze Sätze, nichts Beschönigendes. Krass und unter die Haut gehend, bis zum Finale.
Den Schluß dieser Sammlung bilden vier kurze Erzählungen: Auflösung, Der Würgeengel, Die Lichthöfe, Es will sie lieben. Wer jetzt zu ahnen glaubt, daß auch diese Geschichten keine Komödien zum Inhalt haben, liegt richtig. Meine Favoriten sind die Nummer eins und drei. Aber das sollte der Leser, die Leserin doch bitte selbst entscheiden. Mein Urteil steht fest: Guido Rohm schreibt hart, originell und irgendwie anders als die anderen. Frischer Wind, Spannung und großes Vergnügen: Was will man mehr?!