Verlag interna, Bonn 2017, 55 Seiten, ISBN 978-3-945778-45-6
Eine kurze Novelle in einer eher Broschüre denn Buch gedruckt, Umschlag in Blau und Schwarz auf weißem Hintergrund gehalten, ein Hochzeitsbild auf einem Nachtisch oder Kommode, darunter ein Zitat von Oskar Maria Graf:
Nichts in diesen Blättern ist erfunden, beschönigt oder zugunsten einer Tendenz niedergeschrieben.
In seiner Reihe ”Fünf.Zwei.Vier.Neun.” (die 5249 Tage der Weimarer Republik) möchte der Verlag Interna Werken vergessener Autoren und Autorinnen der Zeit zwischen den beiden Weltkriegen neue Leser und Leserinnen zuführen. Es gibt viel zu entdecken, denn die Talente, die durch ihr schreckliches Ende im Konzentrationslager oder durch Flucht oder andere Umstände aus dem literarischen Gedächtnis unserer Republik entschwanden, sind von großer Zahl. Mala Laaser gehört zu diesen Talenten und auch wenn ihr das Schicksal einer Carry Brachvogel erspart blieb, so verstummte sie doch in der Emigration in England. Die vorliegende Novelle wurde in einer Zeitschrift des Central Verbands deutscher Staatsbürger jüdischen Glaubens veröffentlicht und liegt jetzt, um die 85 Jahre später das erste Mal als Buch vor.
Um was geht es nun in ”Karl und Manci”? Nach dem Tod des Vaters setzt Karl gegen dessen ausdrücklichen Willen durch, dass sein arrangiertes Verlöbnis aufgelöst wird und seine Herzensdame Manci aus Ägypten, wo sie vom Vater eine Laborantenstelle erhalten hatte, zurückkommt. Eine Entscheidung für die Liebe und gegen die soziale Absicherung. Dass diese Romanze nun mitten in der wachsende Wirtschaftskrise und der immer manifester werdenden Diskriminierung der jüdischen Bevölkerung stattfinden muss, macht es für das Paar eben nicht leichter. Beide versuchen sich notgedrungen, mit Jobs ”unter ihrem Niveau” über Wasser zu halten, und verheimlichen dies voreinander. Es droht eine Entfremdung.
Soweit der Inhalt, grad der Schluss wird hier nicht verraten. Schon in dieser sehr kurzen Zusammenfassung fällt auf, dass es sich hierbei um eine seltsame Mischung aus romantischer Liebe in sehr realistisch erzählten, schwierigen Zeitumständen handelt. Das ist in der Tat ein großer Reiz dieser Erzählung. Hinzu kommt der Ton der Autorin: Man kann diesen nicht anders umschreiben als sachlich: Gefühle finden zwischen den Zeilen statt. Auch die wachsende Bedrohung ist unterschwellig zu erspüren. Dies zusammengenommen macht die schmale Novelle zu wirklich etwas Besonderen und einem nachdenklichen Vergnügen. Ich danke an dieser Stelle der geschätzten Birgit Böllinger von Sätze & Schätze: Sie hat mich nicht nur auf Mala Laaser aufmerksam gemacht, sondern auch das Nachwort für diese Novelle geschrieben.
Noch ein Wort zu eben der Publikation: Als ich das Buch in der Hand hielt und aufschlug, war ich erst einmal gelinde gesagt verblüfft: Eine wirklich große Schrift (angenehm), ein sehr breiter Zeilenabstand und Flattersatz (beides für ein gedrucktes Buch gewohnungsbedürftigt, aber warum nicht). Was mich dann aber ein wenig geärgert hat, ist der Umstand, dass wiederholt ein Trennungsstrich in einem Wort auftaucht, welches mitten in der Zeile steht. Hat denn da niemand kontrolliert? Ich weiß wovon ich rede, wenn ich behaupte, dass dies mit ein bisschen mehr Sorgfalt zu verhindern gewesen wäre. Schade, dass das nicht geschehen ist. Dennoch: Dem Vergnügen an dem Text tut das keinen Abbruch.
Mehr zu Autorin und Novelle:
Hier bei ”Sätze & Schätze”
Hier bei ”Leseschatz”
Liebe Lena,
als Jörg mir die Novelle mit der Bitte um ein Nachwort zusandte, war ich zunächst nach dem Lesen etwas verunsichert. Wie Du schreibst: Da ist diese romantische Liebesgeschichte mit ihren Verwicklung, beim ersten, flüchtigen Lesen fand ich noch nicht viel darin – aber dann, beim Wiederlesen eben diese Diskrepanz zwischen der Handlung, dem sachlichen Ton und all den düsteren Begleitumständen, die langsam zwischen den Zeilen durchdringen.
Anke Heimberg, die die Novelle für die Zeitschrift „Virginia“ besprach (Anke ist Herausgeberin der Werke von Lili Grün und Victoria Wolff bei AvivA), zog ein ähnliches Resümee. Zudem merkte sie an, dass es schön gewesen wäre, evt. mehrere Novellen von Mala Laaser zusammenzufassen (statt des dünnen Heftes), auch eine gute Anregung. Ich bin mir sicher, der Verlag nimmt die Kritikpunkte bestimmt auf. LG Birgit
Liebe Birgit,
vielen Dank für Deinen Kommentar. Mich hat der Text gleich gefangen genommen (aber ich wußte ja auch nicht zuletzt wegen Deiner Rezension was mich erwartet. Vorsprung!). Grad wegen dieses außergewöhnlichen Erzählens würde man den Text nur zu gern in einem Kontext mit anderen Texten der Autorin lesen. Da hat Anke Heimberg ganz recht.
Liebe Grüße,
lena