Berenberg Verlag 2020 (2015), 160 Seiten, ISBN 978-3-946334-88-0, auch als E-Book erhältlich.
Nun können wir es wieder kaufen, dieses kleine, feine Meisterstück der Autorin Christine Wunnicke von 2015: »Der Fuchs und Dr. Shimamura«. 144 Seiten in der vergriffenen, gebundenen Ausgabe, 160 Seiten hat die neue Klappenbroschur, die Ende 2020 erschienen ist. Beide Ausgaben bei Berenberg, beide Ausgaben ein Augenschmaus. Genug um an dieses Buch in meinem Blog zu erinnern, auch wenn es schon bei seinem ersten Erscheinen vor sechs Jahren für reichlich Furore gesorgt hat. Der kleine Roman über den historisch belegten Dr. Shimamura handelt von der Fuchskrankheit, von Seelenkunde und Aberglaube in Japan, von den Anfängen der neurologischen Forschung in Europa gegen Ende des 19. Jahrhunderts und das Buch zeigt, was Literatur mit diesen Themen so alles anfangen kann.
Die Handlung sei hier nur skizziert: Nicht ganz freiwillig muss der junge Arzt Dr. Shimamura in der japanischen Provinz die Fuchsbesessenheit erforschen. Begleitet wird er von einem dauer-palavernden Assistenten. Dazu der Aberglaube der Leute auf dem Land, die den Fuchsgeist exorzieren und in sogenannte Gefäße leiten. Dr. Simamura ist maximal genervt und angeekelt. Die Sache nimmt ein tragisches Ende und bleibt aus wissenschaftlicher Sicht ohne Erkenntnis. Später unternimmt die Hauptfigur Bildungsreisen nach Paris, Berlin und Wien. So ganz ernst mag man diesen stillen, kränkelnden Gelehrten aus dem rückständigen Japan in den elitären Kreisen der Hysterieforschung nicht nehmen. Doch dann hat unser Held seinen großen, nicht ganz freiwilligen Auftritt. Es haben in diesem Buch Charcot, Tourette, Babinski, Breuer und Freud ihre Einsätze – Shimamura macht in Europa seine ganz eigenen Erfahrungen. Doch da gibt es auch vier Frauen, Ehefrau, Mutter, Schwiegermutter und Dienerin des tragischen Helden: Shimamuras Frau Sachiko stellt große Blumensträuße im Haus auf, um den Gatten von der Sinnlosigkeit von Spaziergängen in der Natur zu überzeugen. Natürlich versteht der Doktor nicht und geredet wird nicht eben viel zwischen dem Paar. Seine Mutter Hanako schreibt heimlich an der Biografie ihre Sohnes, doch sie versteht nach und nach, dass ihr Sohn scheitern und kein großes Leben führen wird. Die absurden Szenen aus dem Haushalt Shimamuras, der doch immerhin Professor in Kyoto werden wird, gehören mit zu dem amüsantesten, was ich in letzter Zeit gelesen habe.
Christine Wunnicke schreibt über den Lebensweg des Dr. Shimamura in 16 Kapiteln. Es wird vor- und zurückgeblendet, es wird manches nur angedeutet, ohne dass die Handlung vernachlässigt wäre. Die Autorin bleibt dabei den Protagonisten immer zugewandt, lässt ironische Distanz walten und zeigt ausgesprochenen Sinn für das Wechselspiel von Tragik und Komödie. Dieses schmale Buch ist ein Juwel, auf eine Art ein Trostbuch und steht also wieder zum Kauf in den Regalen und Auslagen des Buchhandels. Wer es nicht längst getan hat, greife zu.
Diese Rezi habe ich wieder gerne gelesen, liebe Lena.
Wo du nur immer wieder diese interessanten Bücher findest….
Einen schönen Tag wünscht dir…. 🌷🌸 🌼
Rosie
Immer wieder gern Rosie! Vielen herzlichen Dank!
Intelligent und mit volldosierter Ironie: das Buch könnte auch was für dich sein.
Liebe Grüsse ins Wochenende,
bleib gesund und so kreativ,
Lena