Lit 19. Jh.

Insel Taschenbuch 1985, 182 S., ISBN 3-458-32583-2, Einzelausgaben der 10 Bände sind antiquarisch zu erwerben. Die vorgestellten Texte sind in Sammlungen oder als eBook leicht zu finden, mehr dazu in den Anmerkungen.

177 Seiten hat diese Geschichte, die erste der »der kurz=&=gutn 200=Seiter«, wie Arno Schmidt diese Folge von Romanen Wilhelm Raabes nannte. Entstanden ist das »Raubmörderidyll« 1875, direkt nach Abschluss der Krähenfelder Geschichten. Der Erstdruck war dann 1876. Der kleine Roman spielt in einem Dorf namens Gansewinckel im Weserland, der Heimat des Autors. Mit Horacker ist Cord Horacker, ein junger, aus der Fürsorgeanstalt entflohener Mörder und Jungfrauenschänder gemeint. Raabe spielt in dieser Geschichte wie so oft mittels seines biederen, abschweifenden, nicht selten an Jean Paul erinnernden Erzähltons, der aber offensichtlich auf etwas ganz anderes als auf Beschaulichkeit zielt. Raabe Erzählstil führt wieder einmal in die Irre. Die Kritik war entsprechend: Liebhaber feierten das Werk enthusiastisch, die meisten Feuilletons nannten den Roman eher drollig, mit Längen, Unverständlichkeiten und Unklarheiten. Grund genug der Sache einmal auf den Grund zu gehen. 142 Jahre nach dessen Erstveröffentlichung habe ich Horacker gelesen.

Insel Taschenbuch 1985, 315 S., ISBN 3-458-32582-4, Einzelausgaben der 10 Bände sind antiquarisch zu erwerben. Die vorgestellten Texte sind in Sammlungen oder als E-Book leicht zu finden.

Zum wilden Mann, Höxter und Corvey, Eulenpfingsten, Frau Salome, Die Innerste und Vom alten Proteus entstanden zwischen April 1874 bis August 1876 und bilden zusammen die Krähenfelder Geschichten. Der Titel war Wunsch des Verlags, Raabe sah ursprünglich den Titel Vom alten Proteus vor. Seit 1870 wohnte der Autor in einer südlich vor einem der Stadttore Braunschweigs gelegenen Gegend, die das Krähenfeld genannt wurde. Die vorliegende Ausgabe konzentriert sich auf drei der weniger humorigen als mehr konsequent durchgestalteten Erzählungen Zum wilden Mann, Höxter und Corvey und Die Innerste. Mit diesen Erzählungen befindet sich Raabes Erzählen bereits auf dem Niveau der späteren Jahre, nicht alle allerdings haben mir gleich gut gefallen. Die drei Erzählungen sind vom Umfang fast gleich, jeweils um die 100 Seiten.

Insel Taschenbuch 1985, 343 S., ISBN 3-458-32581-6, einzelne der 10 Bände sind antiquarisch zu erwerben. Die vorgestellten Texte sind als Einzelausgaben, in Sammlungen oder als eBooks leicht zu finden, mehr dazu am Ende dieses Textes.

Ich habe Wilhelm Raabe schon immer gemocht. Seinen etwas verschrobenen, zum entschleunigten Lesen zwingenden Stil, seinen Realismus und das Gespür für die einfachen Leute seiner Zeit. Will man etwas über »the normal ones« der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts in Deutschland erfahren, so greife man mutig zu diesen Erzählungen und Romanen. Zugegeben, Raabe zu lesen ist nicht ganz leicht, aber die Schwierigkeiten sind nicht intellektueller Art, sondern betreffen die Lesegewohnheiten: Raabe ist eine Anti-Pagetuner. Auch faszinieren mich bis heute seine differenzierte Haltung zu seinen Zeitgenossen, die überraschend modernen Themen, die der Autor aufgreift (man denke nur an Pfisters Mühle) oder die breit geschilderten Idyllen mit großer Behaglichkeit (ein Raabsches Lieblingswort), die plötzlich als Trugbild demaskiert werden. Die Heimeligkeit ist selten von Dauer. Raabe, Keller, Storm, Fontane …. ich würde mich, wäre ich gezwungen, für Raabe entscheiden. 1985 gab Insel Taschenbuch zum 75. Todestags des Autors eine 10-bändige Auswahl heraus. Als ich zur Jahreswende die Gelegenheit hatte, eine noch verschweißte Kassette mit diesen Bänden zu kaufen, konnte ich nicht widerstehen. Meine alten, arg lädierten und zusammengekauften 10 Bände wurde verschenkt und die funkelnagelneue, inzwischen 32 Jahre alte Jubiläumsausgabe steht jetzt da wie neu. Und wird gelesen. Ich habe den Plan, jeden der 10 Bände nacheinander zu lesen und im Blog vorzustellen.

Antiquarisch, als eBook oder als PDF-Download erhältlich. 379 Seiten in der Braunschweiger Ausgabe, Band 8.

Ich lese gern und immer wieder Romane von Wilhelm Raabe (1831-1910). Ich mag die scheinbare Behaglichkeit, hinter der jederzeit eine Katastrophe lauern mag, diese etwas umständliche, manchmal an Jean Paul erinnernde Erzählweise, deren Handlung aber zielgerichtet vorangetrieben wird. Überhaupt: Raabe zu lesen bedeutet, sich auf eine Entdeckungsreise zu begeben, sowohl was das Erzählte, als auch die literarische Form angeht. Hier sind entschleunigtes Lesen und Einlassen auf einen sehr eigenen Erzählstil gefragt, die Belohnung folgt garantiert. Raabe hat sehr viel geschrieben, denn er war ein Berufsschriftsteller. Nicht alles ist gut, vieles aber großartig und wer etwas vom bürgerlichen Leben im Deutschland des 19. Jahrhunderts (Gesellschaftskritik eingeschlossen) wissen will, kommt an Raabe nicht vorbei. „Der Schüdderump“ (1870) ist aus seiner mittleren Periode. Neben dem unsäglichen „Der Hungerpastor“ (1863) und dem interessanten „Abu Telfan“ (1867) stellt „Der Schüdderump“ den Höhepunkt der Stuttgarter Trilogie dar und leitet zu den folgenden großartigen Romanen und Erzählungen der späteren Werke. Vor einer Woche habe ich den Schüdderump ausgelesen und bin noch ganz angefüllt von der Lektüre. Und da es draußen unerträglich schwül und heiß ist und die Hausarbeit auch nicht übermäßig lockt, sollen ein paar Zeilen über diesen wunderbar-traurigen Roman aufgeschrieben werden.

Schopenhauer_Busch„Die wohlfeilste Art des Stolzes hingegen ist der Nationalstolz. Denn er verräth in dem damit Behafteten den Mangel an INDIVIDUELLEN Eigenschaften, auf die er stolz sey könnte, indem er sonst nicht zu Dem greifen würde, was er mit so vielen Millionen theilt. Wer bedeutende persönliche Vorzüge besitzt, wird vielmehr die Fehler seiner eigenen Nation, da er sie beständig vor Augen hat, am deutlichsten erkennen. Aber jeder erbärmliche Tropf, der nichts in der Welt hat, darauf er stolz seyn könnte, ergreift das letzte Mittel, auf die Nation, der er gerade angehört, stolz zu seyn.“

(Arthur Schopenhauer: Aphorismen zur Lebensweisheit)

DRACULA (übersetzt von Andreas Nohl)
Steidl Verlag, 540 Seiten, ISBN 978-3869304625

„Nein“, sagte sie und hob abwehrend die Hand, „in diesem Augenblick hält der Tod mich fester umklammert als würde die Erde eines Grabes auf mir lasten!“. So heißt es gegen Ende des Vampirroman-Klassikers von Bram Stoker. Man merkt, daß hier reichlich Pathos und Kitsch geboten wird. Auch in den Handlungssträngen und was das Erzähltempo angeht holpert und stottert es ab und an bedenklich. Dies ist vor allem der Erzähltechnik des Briefromans geschuldet. Formal besteht Dracula aus Briefen und Tagebucheinträgen der Protagonisten, auch ein Phonograph kommt zum Einsatz. Diese Wahl der Form sollte der Handlung Authentizität vermitteln. Eine Rechnung, die heute natürlich nicht mehr aufgeht. Nein, ein Artist der Sprache war Bram Stoker nicht, einer der berühmtesten Autoren der Literaturgeschichte schon.


Nun habe ich sie doch tatsächlich zusammengekauft, meine kleine Wilhelm-Raabe-Bibliothek. Die wunderbaren Insel Reihe von 1985, die ich zur Hälfte besaß, habe ich mit Hilfe des Klassikerforums (hier wird Sie geholfen) und ZVAB Suche komplettiert. Den Hastenbeck (Band 9 der Reihe, und die letzte vollendete Erzählung von Raabe aus dem Jahre 1899) sogar in der 1981er Ausgabe, die zusätzlich mit einem Bildanhang versehen ist. Die zehn Bände enthalten die nach Raabes eigener Meinung gelungensten & aus heutiger Sicht lesenswertesten Werke und sind chronologisch geordnet.