Josephine Tey: Alibi für einen König

Oktopus/Kampa Verlag 2022, 255 S., grundlegende Überarbeitung der Übersetzung von Maria Wolff, ISBN: 978-3-311-30035-9, auch als E-Book erhältlich.

›The Daughter of Time‹ hieß die Originalausgabe von 1951, ›Richard der Verleumdete‹ die erste deutsche Übersetzung von Maria Wolff aus dem Jahre 1959, in der Neuausgabe des Kampa Verlags in seinem Oktopus Programm heißt der Titel jetzt ›Alibi für einen König‹. Josephine Tey hieß eigentlich Elizabeth Mackintosch. Sie wurde 1896 in Schottland geboren und starb 1952, ein Jahr nach Veröffentlichung des hier vorgestellten Romans, in London. Gordon Daviot war ein weiteres Pseudonym, das die Autorin dann nutzte, wenn sie Theaterstücke schrieb. Tey gehörte zur Generation der Agatha Christies oder Dorothy L. Sayers unterschied sich von diesen aber dadurch, dass sie mit den gängigen Stilmitteln brach. Und das macht sie eben interessant.

In ›Alibi für einen König‹ geht es um den lädierten Scotland Yard Inspector Alan Grant, der mit gebrochenen Bein im Krankenhaus liegt und gelangweilt und genervt die Decke anstarrt. Um den Inspector abzulenken, versorgt die befreundete Schauspielerin Marta Hallard diesen mit historischen Porträts. Grant hat nämlich einen besonderen Instinkt für Gesichter. (Bis hierin fühle ich mich übrigens sehr an ›Das Fenster zum Hof‹ von Cornell Woolrich erinnert. Wohl jeder wird die Hitchcock-Adaption kennen.) Der Inspector wird nun auf ein Bild Richard III. aufmerksam, dieses ruchlose, machthungrige und bucklige Monstrum, wie es Shakespeare uns überliefert hat. Der König, der seine beiden Neffen in den finsteren Tower verbracht und ermordet haben soll, um selbst ungestört König zu werden. Der historische Richard III. lebte von 1452 bis 1485, davon war er die letzten beiden Jahre König, bevor er in einer Schlacht umkam. Nach seinem Tod kam es in England zur Herrschaft der Tudors. Und ja, es ist von dem Richard III. die Rede, dessen Gebeine 2012 in Leicester ausgegraben wurden und anschließend für viele Spekulationen und Aufregungen sorgten. Die Presse berichtete ausführlich. Heute vermutet man, dass die angeblichen Gräueltaten des Königs diesem von den Tudors angedichtet wurden. Inspector kommt auf diesen Gedanken ein paar Jahrzehnte vorher durch ausgiebiges Quellenstudium. Und damit zurück zum Roman.

Grant lernt durch die Vermittlung von Marta den jungen Historiker und Archivforscher Brent Carradine kennen. Dieser kommt wie gerufen, denn er kann dem lahmen Scotland Yard Mann mit historischen Recherche-Material aus dem British Museum versorgen. Nach und nach verdichtet sich die Erkenntnis: König Richard III. von England kann nicht der Mörder der Söhne seines verstorbenen Bruders Edvard IV. gewesen sein. Der Weg zu dieser Erkenntnis ist der eigentliche Krimi innerhalb des äußeren Kammerspiels, die Verdächtigen, falschen Zeugen und Opfer allesamt historisch.

Soweit also der durchaus ungewöhnliche Plot. In England ist dieses Buch recht bekannt, hat Preise eingeheimst und besetzte auf der Liste der ›Crime Writers‘ Association‹ zeitweise den ersten Platz. Wir dürfen uns freuen, dass der Kampa Verlag in seinem Oktopus Programm diesen Roman neu aufgelegt hat. Dass die alte Übersetzung von Maria Wolff nicht ersetzt, sondern lediglich überarbeitet wurde, stört nicht weiter. Auch die Frage, ob man aus dem Originaltitel ›The Daughter of Time‹ nicht mehr hätte herausholen können, als den etwas beliebig wirkenden Titel ›Alibi für einen König‹ ist geschenkt. Aber dass man eine so schön gemachtes Buch, welches auch ein wenig kosten darf, nicht mit einem Glossar, Nachwort, Stammbaum, mit was und wie auch immer ausstattet, ist mir schlicht unverständlich. Es geht hier am laufenden Band um historische Persönlichkeit im Umfeld der Rosenkriege und wer ist da schon sattelfest? Ich kann in Wikipedia über die verschiedenen englischen Könige dieser Zeit und über die Rosenkriege lesen und nach Stammbäumen suchen, um den Schlussfolgerungen von Grant und Carradine zu folgen, aber warum hilft mir eigentlich das Buch nicht dabei? Meiner bescheidenen Meinung nach ist das eine verpasste Chance und so nicht ganz der ultimative Tipp zum weihnachtlichen Buchgeschenk. Schade eigentlich, denn dieser Krimi ist tatsächlich ein besonderer.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert